Version vom 15.09.2006
Erstversion vom März 2006

Benzinpreis

Wieso ein Benzinpreis von 5 Euro richtig wäre und die Bahn gratis sein sollte

Bevor Sie sich aufregen: Ich mag schnelle Autos und noch lieber harte Enduros. Und ich weiß schon jetzt, dass ich von Politikern falsch zitiert werde, falls mich jemand zur Kenntnis nehmen sollte. Aber das soll einen ja nicht davon abhalten, die richtigen Überlegungen zumindest einmal gemacht zu haben.

Autofahren ist etwas Tolles. Besonders, weil man bei jeder einzelnen Fahrt nur das Benzin der jeweiligen Fahrt einberechnen muss – denn das Auto hat man ja sowieso und daher sind dessen Kosten für die einzelne Fahrt nicht mehr entscheidungsrelevant. Das klingt zwar so, als wäre da irgend etwas falsch, ist es aber nicht: Die Fixkosten für das Auto sind Sunk-Costs („versunkene Kosten“), die nicht mehr in die Einzelentscheidungsfindung einberechnet werden müssen. Sie müssen allenfalls einmal am Anfang jeden Jahres auf den Prüfstand, wenn die Entscheidung ansteht, ob man das Auto behalten will oder es lieber verkauft. Aber eben nicht bei jeder Fahrt.

Bei einer Bus– oder Bahnfahrt ist das anders. Hier müssen die Fahrscheinpreise die gesamten Kosten decken, also auch die versunkenen Kosten. Damit vergleicht aber jeder potenzielle Bahnfahrer vor jeder Fahrt die gesamten Kosten der Bahn mit einem Teil der Kosten für das Auto – woraufhin das Auto natürlich besser abschneidet. Und das ist keine Milchmädchenrechnung, sondern es handelt sich um eine vernünftige (also im spieltheoretischen Sinn“ rationale“) Entscheidung, die sich einfach durch die Natur der Entscheidungssituation ergibt.

Wie könnte man das ändern? Ganz einfach: Statt eines variablen Fahrpreises könnte jeder Einwohner unabhängig von der tatsächlichen Nutzung einen fixen Betrag für die Bahn zahlen und sie ab da „gratis“ nutzen, also ohne weitere variable Kosten. Das wäre sozusagen eine „Bahn-Kopfsteuer“ oder Zwangs-Flatrate, wie man sie man heutzutage auch nennen könnte (wobei der gewiefte PR-Manager der Bahn den Wortbestandteil „Zwang“ lieber durch etwas Wohlklingendes wie „Solidarität“ ersetzen würde).

Aber Autofahren ist noch besser: Während man nämlich den anderen Menschen die Luft verpestet, sie mit Lärm belästigt, sie gefährdet und andere derartige Dinge tut, muss man nur das Benzin bezahlen. Zwar ist darin eine Menge an Steuern enthalten (und zwar mit genau diesem Argument), aber die Höhe deckt keineswegs alle externen Kosten, wie es so schön heißt, wenn jemand Kosten verursacht, die andere bezahlen. In der Spieltheorie kennt man die entstehende Situation als soziales Dilemma (dessen einfachste Form das Gefangenendilemma ist, das Ihnen sicherlich schon einmal in der einen oder anderen Form untergekommen ist). Folge dieses Dilemmas ist, dass jeder mehr fährt als er es tun würde, wenn er alle Kosten selber zu tragen hätte, denn dies ist eine dominante Strategie.

Auch hier gäbe es eine einfache Lösung, mit der man diesen Effekt beseitigen könnte: „Man“ müsste alle Kosten auf den Benzinpreis (oder auf die Straßenmaut) aufschlagen und dann die Erlöse an diejenigen auszahlen, die den Schaden haben, also an alle, die durch den Lärm belästigt werden, die im Wohngebiet nicht mehr ihre Kinder auf die Straße schicken können und die in der Stadt die Abgase einatmen. Und schon haben wir einen Benzinpreis von 5 Euro (ok, ich habe ihn nicht nachgerechnet, aber auf jeden Fall wäre er sehr hoch), von dem fast alles Steuern sind, die dann an alle Anspruchsberechtigten ausgezahlt werden, sei es nun direkt oder indirekt, zum Beispiel in Form von Verschönerungen der Straßen, durch bessere Verkehrsinfrastruktur usw.

Aber wir wollen doch nicht noch mehr Steuern zahlen!

Stimmt. Deshalb ist hier die Geschichte auch noch nicht zu Ende gedacht. Denn der derzeitige Benzinpreis befindet sich ja im Rahmen einer Gesamtbelastung durch Steuern, und diese sollte sich durch eine derartige Neuregelung nicht ändern. Wo könnte man also zeitgleich die Abgaben senken, damit die Gesamtbelastung gleich bleibt? Und am besten noch an einer Stelle, an die Änderung auch noch Vorteile aus spieltheoretischer Sicht hat? Ein ganz heißer Kandidat dafür ist die Einkommensteuer.

Man muss sich klar darüber sein, dass Steuern immer wie eine Strafe auf die besteuerte Tätigkeit wirken, weil sie diese ja verteuern. Wenn das so ist, dann kann man nicht so recht verstehen, wieso wir eine Strafe auf Arbeit haben und diese nicht einfach durch eine Strafe für Umweltverschmutzung ersetzen. Dieses Prinzip konsequent angewandt, und wir könnten auch gleich alle anderen Formen der Umweltverschmutzung besteuern und die Einkommensteuer im Gegenzug ganz abschaffen.

Natürlich würden einige Produkte durch diese Umweltsteuer teuerer, aber andere könnten auch sehr viel billiger werden, weil ja die Lohnkosten niedriger würden, indem – nach der Abschaffung der Einkommensteuer –  netto mehr von den Löhnen bei den Arbeitern ankommt. Lohnintensive Produkte würden also billiger. Als angenehmer Nebeneffekt würden durch die niedrigeren Lohnkosten auch mehr Menschen eingestellt, die Arbeitslosenquoten würden sinken. Natürlich würden umweltbelastende Produkte teurer, aber dadurch würden wir sie weniger kaufen und die Umwelt würde sauberer. Ich lege hier meine Hand dafür ins Feuer (was ich nicht oft anbiete), dass dies zu einer sehr viel besseren Welt führen würde: sauberer, reicher und sicherer.

Und wieso machen wir es dann nicht so?

Weil wir natürlich ganz schnell von der Realität eingeholt würden. Die Politiker werden meinen Vorschlag toll finden, aber nur den ersten Teil. Sie würden die Benzinsteuer erhöhen, aber die Einkommensteuer lassen wie sie ist. Selbst wenn nicht, würden sie sich verrechnen und am Ende mehr Geld aus unseren Taschen ziehen als jetzt. Denn es lebt sich sehr bequem damit, das Geld anderer Menschen auszugeben, besonders dann, wenn man damit gleich noch ein paar Zahlungen an diejenigen Interessengruppen leisten kann, die überdurchschnittlich oft die eigene Partei wählen oder in Zukunft wählen sollen. Genau diese kleinen Nebeneffekte sind der Grund dafür, dass der Begriff Ökosteuer den meisten Menschen das kalte Grauen ins Gesicht treibt.

Auch die Bahn würde meinen Vorschlag ganz toll finden und das Geld genauso kassieren wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, denn es ist sehr bequem, wenn jeder Mensch für ein Produkt zahlen muss, ganz gleich, ob er es mag oder nicht. Leider würde die Bahn dann noch weniger liefern als jetzt, weil sie ja keinerlei Anreiz mehr hätte, dass wir wenigstens ein ganz kleines bisschen zufrieden mit ihr sind.

Und deshalb vergessen wir den Vorschlag am besten gleich wieder, erheben weiterhin eine Strafe auf Arbeit und leben in einer ärmeren und dreckigeren Welt.

2 Gedanken zu „benzinpreis

  1. Vielleicht gibt es ja andere Möglichkeiten diese Ideen zu Verwirklichen? Z.b durch ein Sanktionssystem für die Bahn, Passagiere können sich beschweren, kommt es zu genug Beschwerden werden die zuständigen bei der Bahn Sanktioniert. (Kein Weihnachtsgeld, sinkender Lohn) bis die Missstände für mindestens ein Jahr nicht mehr aufgetreten sind. So würde sich das vernachlässigen der Kundschaft in keinster Weise lohnen und allen ginge es besser?!

    1. Das Problem solcher Lösungen besteht darin, dass es für die Kunden mit keinerlei Kosten verbunden ist, wie sie „abstimmen“. Sie könenn daher nach Herzenslust sich beschweren oder loben, auch wenn ganz andere Motive dahinter stehen als die wahrheitsgetreue Leistungsbeurteilung der Bahn. Das ist nur dann anders, wenn man für die Produkte den verursachungsgerechten Preis zahlt – und das ist hier aus den genannten Gründen schwierig.

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