Version vom 17.06.2008
Erstversion vom 18.09.06

Dominierte Strategie in Aktion

 

Dominierte Strategie in Papier, Stein, Schere, Schwamm und mehr

Um die dominante Strategie in einem echten Spiel (in dem es auch Gegenspieler gibt) zu zeigen, nehme ich einmal ein etwas aufgepepptes Knobel-Spiel Papier, Stein, Schere. 

In meinen Schnick-Schnack-Schnuck-Beitrag zeige ich, wie das Symbol Stein zu einer dominierten Strategie wird, wenn man den Brunnen einführt. Basteln wir uns hier eine noch kompliziertere Variante von Papier, Stein, Schere, und zwar eine, bei der es nicht nur vier, sondern gleich acht Symbole gibt. Ich bin hier ein bisschen einfallslos und nehme einfach die Buchstaben von A bis H als Symbole und überlasse es Ihnen, wie Sie sie mit der Hand zeigen (mit zwei Händen geht es, ich habe es probiert). Weiter unten finden Sie aber eine schönere Version mit Luft, Feuer, Wasser und allem, was man sonst noch braucht.

Nun ist acht eine gerade Zahl. Deshalb können nicht alle Symbole gleich gut sein, sondern es muss vier Symbole geben, die viermal gewinnen, und vier Symbole, die dreimal gewinnen. (Zumindest, wenn man verhindern will, dass es zwischen unterschiedlichen Zeichen ein Unentschieden geben kann. Ohne diese Einschränkung ginge auch eine gerade Zahl an Symbolen, wie Sie im Beitrag über Schnick-Schnack-Schnuck sehen können.) Der spieltheoretisch oberflächliche Betrachter könnte geneigt sein zu denken, dass in diesem Knobelspiel alle Drei-Gewinn-Srategien gleich schlecht seien und man sie daher einfach weglassen könne. Das ist aber nicht so.

Um das Spiel zu analysieren, schreiben wir es zunächst einmal in der Tabellenform auf (der „Normalform“):

Berta
A B C D E F G H
A 0 +1 +1 +1 +1 -1 -1 -1
B -1 0 +1 +1 +1 +1 -1 -1
C -1 -1 0 +1 +1 +1 +1 -1
Anton D -1 -1 -1 0 +1 +1 +1 +1
E -1 -1 -1 -1 0 +1 +1 +1
F +1 -1 -1 -1 -1 0 +1 +1
G +1 +1 -1 -1 -1 -1 0 +1
H +1 +1 +1 -1 -1 -1 -1 0

Das sieht zwar nicht sehr übersichtlich aus, ist aber recht einfach: Die Zahlenwerte sind die Auszahlungen an Spieler Anton, wenn er eine Zeile gewählt hat und Berta eine Spalte. +1 heißt: Anton hat gewonnen, -1 heißt: Anton hat verloren; 0 heißt unentschieden.

Suchen Sie jetzt einmal nach einer dominierten Strategie. Finden Sie sie? Es ist Strategie E. Denn sie gewinnt nur dann, wenn D auch gewinnt, aber D gewinnt noch in einem anderen Fall (nämlich gegen E). Daher ist E nie besser als D, aber einmal schlechter – also dominiert. Vergewissern Sie sich bitte in der Tabelle, dass das auch wirklich so ist, dann sehen Sie gleich, wie man dominierte Strategien findet.

Nun wissen wir bereits, dass dominierte Strategie nie rational sein können und können daher E streichen („eliminieren“). Was jetzt? Zunächst machen wir dieselbe Analyse aus Sicht der Gegenspielerin. Die kommt aber natürlich zum selben Ergebnis und eliminiert daher ebenfalls ihre Strategie E. Machen Sie das bitte einmal in der Tabelle, damit Sie sich an die dominierte Strategie gewöhnen.

(Hat es auch für Berta funktioniert? Ja? Dann haben Sie geschummelt. Es klappt nämlich nur dann, wenn Sie die Auszahlungen im Vorzeichen umdrehen, denn die Gewinne für Anton sind ja Bertas Verluste, weil es sich um ein Nullsummenspiel handelt. Und das haben Sie bestimmt vergessen. Sehen Sie, so schnell sind Sie erwischt.)

Jedenfalls sieht das Spiel nach der Elimination der Strategie E genauso aus wie das schöne RPS-7 von David Lovelace:

hands

Gibt es noch weitere dominierte Strategien? Gibt es vielleicht Strategien, die nach der Elimination von E dominiert geworden sind, es vorher aber nicht waren?

Gibt es nicht. Indem wir E gestrichen haben, haben wir alles Unvernünftige ausgesondert (also alles Nichtrationale). Denn weil jetzt niemand mehr E wählt, ist der Vorteil der Viergewinn-Strategien A, B, C verschwunden: Allen war gemeinsam, dass sie unter anderem bei E gewonnen haben. Da das jetzt kein Vorteil mehr ist, sind sie eben genauso gut wie die Dreigewinn-Strategien F, G, H. Und schon haben wir ein Papier, Stein, Schere mit sieben Symbolen, von denen jedes dreimal gewinnt und dreimal verliert.

Was sehen wir? Unsere Intuition ist in Spielen oft nicht viel wert. Es kann durchaus rational sein, eine der Dreigewinn-Strategien zu spielen, auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint. Gar nicht so schlecht, die Spieltheorie, nicht wahr?

Aber Moment mal. Was passiert eigentlich, wenn die Gegenspielerin das alles nicht weiß und einfach doch so tut, als seien die Dreigewinn-Strategien nicht wert gespielt zu werden? Schließlich sind ja die meisten echten Spieler nicht „rational“ (und machen sie noch nicht einmal die Mühe, solche interessanten Texte zu lesen, die ihnen die Rationallösung erklären würden).

Dieses Argument ist in der Spieltheorie manchmal ein gemeines Gegenargument. Aber hier nicht. Denn das Konzept der Dominanz setzt überhaupt nichts über die Gegenspielerin voraus. Es kann uns völlig egal sein, ob sie das Konzept auch kennt oder nicht. Es kann uns sogar egal sein, was sie im Spiel eigentlich erreichen will. Es kann uns sogar egal sein, ob es sie überhaupt gibt (oder ob wir in Wahrheit gegen die Natur spielen.) Die Dominanz gilt aus unserer Sicht allein und ist immer rational. Deshalb können wir die dominierte Strategie E ganz unbesorgt streichen. Wenn Berta sie nicht streicht – Pech gehabt, dann haben wir eben einen Vorteil.

Bleibt natürlich noch eine andere Frage: Müssen wir eigentlich alle anderen Strategien verwenden oder könnten wir einige auch einfach weglassen? Denken Sie schon einmal darüber nach, bald schreibe ich hier etwas über die gemischte Strategie in Aktion, dann lüfte ich das Geheimnis.

Und bis dahin lesen Sie am besten schon einmal mein Lehrbuch zur Spieltheorie.

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