John Nash’s Bar-Szene in „A Beautiful Mind“

Version vom 04.03.16;
Erstversion vom 03.03.16

Das Nash-Gleichgewicht in der Bar-Szene

In dem Film „A Beautiful Mind“ gibt es eine berühmte Szene, in der John Nash mit seinen Kumpels in einer Bar mehreren Studentinnen gegenüberstehen und Nash die optimale Strategie darlegt, wie sich die männlichen Freunde verhalten sollten. Wie kann man diese Situation spieltheoretisch modellieren, und ist das wirklich das Nash-Gleichgewicht, das hier dargestellt wird?

 

John Nash in der Bar

Falls Sie den Film „A Beautiful Mind“ noch nicht gesehen haben, dann sollten Sie das jetzt möglichst schnell nachholen und sich gleich einmal den Film auf DVD bestellen. Als kleinen Einstieg können Sie schon einmal einen Blick auf die berühmte Bar-Szene werfen, in der John Nash und seine Kumpels einer Gruppe Studentinnen gegenüber stehen und offenbar alle die einzige Blonde in der Gruppe ansprechen wollen (der letzte Link führt zu der Szene auf Youtube).

In dem Film soll in dieser Szene die Grundidee des Nash-Gleichgewichts dargestellt werden. Sehen wir uns deshalb an, wie man die Situation als Spiel darstellen kann und suchen dann die Nash-Gleichgwichte.

In der Szene gibt es ziemlich viele Personen, und die machen die Modellierung meist etwas komplizierter, daher reduzieren wir zunächst einmal die Anzahl der Spieler auf nur zwei. Das ist natürlich nicht erfolderlich, macht uns das Leben aber viel einfacher. Die Spieler sind dann erstens John Nash und zweitens einer seiner Kumpels.

Offenbar haben alle Männer die gleichen Präferenzen und finden die Blonde am besten, obwohl ihnen die Brünetten wohl auch gut gefallen. Unsere Spieler bekommen daher eine Auszahlung von 2, wenn sie mit der Blonden ungestört sprechen können, und eine Auszahlung von 1, wenn sie mit einer Brünetten ungestört sprechen können. Wenn sich mehrere Männer auf dieselbe Frau stürzen, dann erhalten die Männer jeweils eine Auszahlung von 0, weil sich dann gegenseitig stören. Das empfinden sie dann genauso schlecht wie wenn sie gleich ihr Bier weitergenuckelt hätten.

Wichtig ist jetzt noch, dass es eine Frau mehr gibt als Männer. Denn nun haben die Männer einen Freiheitsgrad mehr und können eine der Frauen übrig lassen. Das etwas stilisierte Spiel sieht damit so aus:

Kumpel
spricht die Blonde an spricht die Brünette 1 an spricht die Brünette 2 an
John Nash spricht die Blonde an (0; 0) (2; 1) (2; 1)
spricht die Brünette 1 an (1; 2) (0; 0) (1; 1)
spricht die Brünette 2 an (1; 2) (1; 1) (0; 0)

An dieser Stelle ist es hilfreich, wenn man in meinem Spieltheorie-Buch nachgelesen hat, wie man ein Nash-Gleichgewicht ermittelt. Falls Sie zu den bedauernswerten Personen gehören, die das noch nicht getan haben, dann müssen Sie mir an dieser Stelle einfach glauben, dass es hier vier Nash-Gleichgewichte gibt. Das sind die Strategienkombinationen, die oben fett gedruckt sind. Diese Kombinationen bedeuten folgendes: Entweder spricht Nash die Blonde an und sein Kumpel wahlweise eine der beiden Brünetten; oder sein Kumpel geht zur Blonden und Nash sucht sich ein der beiden anderen aus.

Kleines Problem hier: Derjenige, der zur Blonden geht, bekommt eine höhere Auszahlung als der andere. Aber immerhin geht es beiden besser als wenn sie gar keine angesprochen hätten. Es könnte daher ein wenig Streit darüber geben, wer zur Blonden geht, aber wenn die Kumpels eine Einigung erzielt haben, dann sollten sie sich auch daran halten (genau das ist eine der Folgen des Nash-Gleichgewichts).

Nun stellt der John Nash im Film zwei Behauptungen auf:

  1. Die Kumpels sollten die Blonde stehen lassen und jeweils zu einer der Brünetten gehen.
  2. Es führt nicht zum kollektiv optimalen Ergebebnis, wenn jeder nach seinem individuellen Vorteil strebt.

Mein Leser Edvin Hamidic hat mir hierzu folgende Frage geschickt (und mich damit auf die Idee für diesen Beitrag gebracht): „Geh ich richtig in der Annahme, dass es sich bei der Darstellung „des Spiels“ nicht !!  um ein „Nash Gleichgewicht“ in reinen Strategien handelt, wie es vielfach erzählt wird ?“ Diese Frage lässt sich mit unserer Modellierung von eben leicht beantworten:

 

Der Star des Abends bleibt nicht übrig

Behauptung 1 des Film-Nashs ist offenbar falsch; genauer gesagt, es ist kein Nash-Gleichgewicht, wenn die Kumpels die Blonde übrig lassen und nur die Brünetten ansprechen.

Ein Nash-Gleichgewicht ist eine Kombination aus Verhaltensweisen, bei der sich keiner verbessern kann, sofern der andere Spieler bei seinem Verhalten bleibt. Wenn nun beide Kumpels jeweils eine Brünette ansprechen, dann könnte aber einer der beiden die Blonde nehmen und würde sich damit verbessern. Folglich ist es kein Gleichgewicht, was der Film-Nash da behauptet. Im Gleichgewicht würde nicht die Blonde übrig bleiben, sondern eine ihrer Freundinnen.

Recht hat er allerdings mit der Aussage, dass sich nicht alle „eigennützig“ an die Blonde heranmachen sollten; dies ist ebenfalls kein Gleichgewicht. Denn würden es die Kumpels tun, dann könnte ein einzelner von ihnen seine Auszahlung erhöhen, indem er von diesem Verhalten abweicht und zu einer der Brünetten geht. Er bekäme dann 1 statt 0. Das ist auch intuitiv klar. Denn die Kumpels erzeugen eine künstliche Verknappung, wenn alle die Brünetten links liegen lassen.

Screenshot aus der Bar-Szene: Alle machen sich an die Blonde heran.
Screenshot aus der Bar-Szene: Alle machen sich an die Blonde heran.

Schwieriger zu beurteilen ist die zweite Behauptung, weil wir hier nicht eindeutig sagen können, welches Verhalten offenkundig „dem individuellen Vorteil“ dient. Wenn wir uns aber darauf einigen, dass das Ansprechen der Blonden dem unmittelbaren Eigennutz dient, dann hat der Film-Nash hier recht: Da sich die Kumpels dann gegenseitig blockieren, wäre dieses Verhalten nicht im kollektiven Interesse, obwohl es jeder einzelne gern machen möchte.

Das Problem ist hier, dass die erste Strategie (die Blonde ansprechen) nicht unter allen Bedingungen besser ist als eine der beiden anderen Strategien. Es ist daher nicht einfach möglich, diese eine Strategie als die individuell vorteilhafte Strategie anzusehen. Das wäre erst dann der Fall, wenn das Ansprechen der Blonden aus Sicht des einzelnen Kumplels auf jeden Fall mindestens so gut wie die anderen Strategien ist.

Das wäre aber der Fall, wenn das Bei-Spiel etwas anders aufgebaut gewesen wäre als im Film. Angenommen, die Blonde wäre allein gekommen und die einzigen Strategien der beiden Männer wäre somit entweder ansprechen oder Bier trinken. Dann sähe das Spiel so aus:

Kumpel
spricht die Blonde an trinkt weiter Bier
John Nash spricht die Blonde an (0; 0) (2; 0)
trinkt weiter Bier (0; 2) (0; 0)

Hier ist die Strategie „die Blonde ansprechen“ dominant, und es ist daher individuell auf jeden Fall rational, sie zu spielen. Daher werden es auch beide Männer tun, natürlich nur mit dem Erfolg, dass sie beide eine Auszahlung von 0 bekommen. Hier würde auch eine Absprache nichts nützen, weil man ja nichts verliert, wenn man sich nicht daran hält. Aus dieser Überlegung heraus ist übrigens das berühmte Gefangenendilemma entstanden, das der erste Prüfstein für das Nash-Gleichgewicht war – und an dem die zweite Behauptung des Film-Nashs sehr eindrucksvoll gezeigt werden kann: Adam Smith hatte Unrecht. Es gibt Situationen, in denen es nicht zum kollektiven Optimum führt, wenn jeder Einzelne nach seinem individuellen Vorteil strebt.

 

Nein, dies ist kein Gefangenendilemma

Und damit kommen wir zu einer weiteren Frage, die häufig zur Bar-Szene gestellt wird: Ist die Situation ein Gefangenendilemma? Auch hier gibt es eine klare Antwort: Es ist keines. Das Eingangsspiel hat mit dem Gefangenendilemma fast gar nichts zu tun, sondern es ist eine etwas verallgemeinerte Form des Kampfes der Geschlechter (Battle of the Sexes), das Sie wiederum gut kennen würden, wenn Sie mein Spieltheorie-Buch gelesen hätten; der Kampf der Geschlechter ist ein Koordinationsspiel und kein Dilemma.

Auch die modifizierte Variante mit nur einer Frau kommt dem Gefangenendilemma zwar näher, ist aber auch noch keines. Und ich bin froh darüber, dass sich der Drehbuchschreiber etwas anderes ausgedacht hat. Da verzeihe ich auch, dass das im Film genannte Optimalverhalten kein Nash-Gleichgewicht ist. Aber schließlich ist das ja auch die  Szene, in der John Nash seine geniale Idee erst bekommen hat – und da braucht die Theorie ja noch nicht ganz ausgereift zu sein.

 

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Ok, dann kommen Sie nicht darum herum, nun endlich mein Spieltheorie-Buch zu kaufen.

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