Version vom 10.04.2008
Erstversion vom 13.09.2006

Dominante / dominierte Strategie

Lieber reich und gesund als arm und krank. Wenn Sie die Logik hinter diesem Satz verstehen, dann wissen Sie auch schon, was eine dominierte Strategie ist. Und Sie wissen dann auch, dass hinter dem ökonomischen Begriff der Effizienz etwas sehr Natürliches steckt.

Sie sitzen durch einen Verfahrensfehler fälschlicherweise im Himmel auf einer Wolke – versehentlich wurden Sie an Stelle eines anderen geholt. Zur Entschädigung dürfen sich jetzt aussuchen, als welche Person Sie weiterleben möchten:

Name Gesundheit Reichtum
Anton 1 (= gesund) 1 (= reich)
Berta 1 (= gesund) 0 (= arm)
Cäsar 0 (= krank) 1 (= reich)
Doris 0 (= krank) 0 (= arm)

Damit es nur auf die Gesundheit und den Reichtum ankommt, dürfen Sie anschließend auch noch den Namen und das Geschlecht der Person ändern, als die Sie weiterleben. Wen nehmen Sie?

Einfach: Anton natürlich. Denn egal, worum es geht, er steht am besten da. Leider ist Anton schon weg – Ihr Fall war nicht der einziger Fehler heute und die Anzahl der Entschädigungspersonen ist klein. Jetzt wird es schwieriger, aber Sie wissen auf jeden Fall schon einmal, wer Sie nicht sein wollen: nämlich Doris. Sie steht ganz klar „am schlechtesten“ da.

Hinter dieser Überlegung steht das Konzept der dominanten und der dominierten Strategie, das Sie hier intuitiv anwenden, auch ohne es (bis jetzt) genau beschreiben zu können. Lassen wir das Konzept noch einen Moment lang unscharf und werfen einen Blick auf die Wahl zwischen Berta und Cäsar. Hier ist die Entscheidung viel schwieriger, weil die eine in der einen Dimension (Gesundheit) besser dasteht, wogegen der andere in der anderen Dimension (dem Reichtum) besser ist. War die Wahl zwischen Berta und Doris noch ein Kinderspiel, so müssen Sie sich hier fragen, ob Ihnen Reichtum oder Gesundheit lieber ist. Und wieviel Reichtum ist Ihnen wieviel Gesundheit wert?

Machen Sie hier keinen Fehler, weil es ein teilweise emotionales Beispiel ist: Man kann Gesundheit kaufen, zumindest etwas (würden Sie eine Kur selbst bezahlen? wo ist Ihre Preisgrenze? Wieviel Zuzahlung akzeptieren Sie für ein Medikament, das besser wirkt?). Viele sind auch bereit, für ihren Reichtum auf etwas Gesundheit zu verzichten (McKinsey-Berater gehen auch dann zur Arbeit, wenn sie besser zu Hause blieben; eine Beraterin hat ihre Stimmbänder teilweise verloren, weil sie mit heiserer Stimme noch eine Präsentation gab. Hätte sie es nicht getan, hätte sie weniger verdient).

Das Problem besteht darin, dass es bei der Auswahl zwischen Berta und Cäsar einen Zielkonflikt (Tradeoff) zwischen den beiden Dimensionen Gesundheit und Reichtum gibt. Immer, wenn ein Zielkonflikt besteht, müssen wir abwägen: Auf wieviel des einen sind bereit zu verzichten, um etwas von dem anderen zu bekommen. Nur dann, wenn wir beides auf einmal bekommen können, finden wir das uneingeschränkt gut, wenn wir beides auf einmal nicht bekommen, finden wir das uneingeschränkt schlecht. Ganz ohne weiter nachdenken zu müssen. Damit sind wir bei der Dominanz:

Eine Alternative dominiert eine andere, wenn sie nie schlechter ist, aber manchmal besser. 

Vergleichen Sie Alternative Anton mit Alternative Berta: Anton ist nie schlechter (nämlich genauso gesund wie Berta), aber in punkto Reichtum besser. Also wählen wir die Alternative Anton. Vergleichen Sie Berta und Doris: Beide sind arm, aber Doris ist auch noch krank. Daher ist Berta nie schlechter, aber einmal besser. (Ach ja, nur falls sie jetzt verwirrt sind: Ich habe das Beispiel so gebastelt, dass hier die Strategien Anton, Berta usw. heißen. Sie dürfen ja wählen, wer Sie sein wollen. Also bitte nicht denken, das seien alles eigene Spieler. Die vier Personen dürfen nur dasitzen und warten, ob Sie in ihrer Haut weiterleben wollen, sie sind also keine Spieler im spieltheoretischen Sinn, die mit entscheiden dürften.)

Zurück zur Dominanz. Das Schöne an diesem Kriterium ist, dass es einen nicht in die Irre leiten kann. Wenn man eine dominierte Strategie findet, dann ist es nie vernünftig, sie zu wählen. Also streicht man sie einfach und tut von da ab so, als gäbe es sie gar nicht. Fertig. Einen kleinen Haken gibt es leider: In vielen Situationen gibt es nichts, was offensichtlich unvernünftig wäre. Und daher gibt es dann eben auch keine dominierte Strategie. In solchen Fällen hilft einem das Konzept leider nichts – allerdings schadet es auch nichts. Das ist doch schon einmal was.

Ich habe sogar etwas gemogelt: Im Eingangsbeispiel handelt es sich eigentlich um gar kein Spiel, weil die Spalten weder Spieler noch Umweltzustände sind. Daher ist es strenggenommen noch nicht einmal ein Einpersonenspiel. Allerdings brauchen Sie sich darüber keine grauen Haare wachsen zu lassen, weil es formal exakt dieselbe Struktur hat. Ich habe das gemacht, um Ihnen gleich noch heimlich eine kleine Verbindung zu zeigen: Die Dominanz ist nämlich formal genau das gleiche wie die Effizienz in den Wirtschaftswissenschaften. Um Sie aber nicht schon hier völlig zu verwirren, stelle ich das einmal zurück, bis ich an anderer Stelle noch etwas über Effizienz schreibe. Die taucht nämlich auch in der Spieltheorie wieder auf, oft in Form der Pareto-Effizienz. Aber wie gesagt: Stellen wir es hier ein wenig zurück.

Ein Wort der Warnung. Das Konzept der dominanten Strategie ist sehr einfach, aber es beruht auf einer mathematischen Definition. Wir sind leider nicht sehr gut darin, exakte Definitionen intuitiv richtig wiederzugeben. Wenn Sie jetzt ein wenig flusig sind, dann werden Sie nur noch in Erinnerung behalten, dass eine dominierende Strategie irgendwie „besser“ ist als eine von ihr dominierten Strategie. Das stimmt auch. Aber erinnern Sie sich auch noch an die Details! (Studenten, die bei mir in einer mündlichen Prüfung waren, wissen, wovon ich spreche.) Es ist zum Beispiel nicht richtig, vom „Durchschnitt“ der Auszahlungen auszugehen. Also von der Art: Anton bekommt 2, Berta und Cäsar bekommen 1, Doris bekommt 0, also ist die erste Strategie dominant. Das ist zwar hier richtig (weil es ein einfach konstruiertes Beispiel ist), aber in der echten Welt wird Ihnen so eine Rechnung schnell zum Verhängnis. Denn Sie gewichten hier bereits die einzelnen Faktoren – und das auch noch willkürlich, weil sie einfach alles gleich gewichten. Der Charme der dominierten Stratagie besteht aber gerade darin, dass Sie eben nichts gewichten müssen, sondern es immer rational ist, die dominierte Strategie zu streichen, völlig egal, wie Sie gewichten würden. Seien Sie deshalb vorsichtig und erinnern Sie sich an die halbmathematische Definition: eine Strategie dominiert eine andere Strategie, wenn die dominante Strategie nie schlechter, aber manchmal besser ist.

Komplizierteres Beispiel gefällig?

Und damit Sie es auch ganz genau wissen, kaufen Sie sich am besten jetzt gleich mein Spieltheorie-Buch. Da gibt es das Ganze dann auch noch schön zitierfähig wahlweise mit und ohne Formeln.

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