Version vom 07.10.2007
Erstversion vom 07.10.07

Gebühren von Investmentfonds

Die Verwaltungsgebühren von Investmentfonds sind in den letzten Jahren um etwa 200% gestiegen. Das passierte mit dem Eintritt ausländischer Fondsgesellschaften in den deutschen Markt. Kann denn Konkurrenz schaden?

Die 200% Preiserhöhung sind kein Schreibfehler. Vor wenigen Jahren noch war eine Verwaltungsvergütung von etwa 0,5% jährlich bei Rentenfonds normal. Inzwischen liegt sie eher bei 1,5% – das sind 200% mehr. Falls Sie jetzt denken, 1,5% seien immer noch Peanuts: willkommen im Club. Das denken viele Anleger, denn bei Fonds ist man an Zahlenwerte gewöhnt, die auch schon mal im Bereich von 15% liegen können, und da wirken 0,5% geradezu lächerlich. Das sind sie aber nicht. Denn die 15% können nicht nur hoch, sondern auch herunter gehen. Im Durchschnitt über viele Jahre kommen dann bei Rentenprodukten Werte von etwa 5% „Performance“ heraus. Wenn man davon die 0,5% – 1,5% Verwaltungsgebühr abzieht, dann sieht man, wie teuer diese scheinbar kleinen Zahlen in Wahrheit sind. Der typische Anleger bemerkt das aber gar nicht. (Möchten Sie mehr über Wahrnehmungsfehler von Anlegern wissen? Dann lesen Sie Gier – wie wir ticken, wenn es ums Geld geht.)

Und genau das ist die Grundlage für das Paradoxon, durch das die Preise durch den Eintritt neuer Wettbewerber so stark steigen konnten. Denn diese machten schon immer etwas sehr Effektives: Sie zahlen an die Vermittler ihrer Fonds hohe Provisionen, sogenannte Kickbacks. Bei ausländischen Fonds war durchaus normal, dass sie 0,7% an den Vermittler zahlen, wenn er ihren Fonds an den Kunden brachte. Keine Frage, welchen Fonds die freien Berater und auch die Banken zuerst anbieten, wenn der eine Fonds 0,7% zahlt und der andere nicht. Nun sind 0,7% (jährlich, übrigens) nicht bezahlbar, wenn man insgesamt nur 0,5% Gebühr einnimmt. Das war die Situation der deutschen Fonds; die ausländischen nahmen dagegen schon immer viel mehr und konnten daher problemlos hohe Kickbacks geben.

Die Situation war einfach: Durch eine systematische Wahrnehmungsverzerrung bemerkt der Kunde gar nicht, ob die Gebühren 0,5% oder 1,5% betragen; der Berater hingegen schon. Der Kunde macht einfach das, was der Berater empfiehlt. Folglich verkauft eine Fondsgesellschaft ihren Fonds umso besser, je teurer er ist. Die deutschen Fondsgesellschaften hatten eine Konvention niedriger Gebühren und niedriger Kickbacks und haben den eben beschriebenen (kundenfeindlichen) Zusammenhang entweder nicht bemerkt oder waren einfach fairer zu ihren Kunden. Die ausländischen Gesellschaften hatten eine andere Konvention mit hohen Gebühren und hohen Kickbacks. Als beide aufeinander trafen, hatten die ausländischen Gesellschaften die Nase vorn. Schon nahm das Schicksal seinen Lauf und das kundenfeindliche Gleichgewicht setzte sich durch.

Das passiert, wenn ein neuer Spieler in einen Markt eintritt: Man muss sehr genau analysieren, wie die Interessen aller Beteiligten sind und wer die Spieler sind. Eine naive Sicht war, dass es sich um ein Spiel zwischen den Kunden und den Fondsgesellschaften handelt. Aber das war nur die halbe Geschichte. Die Ganze Geschichte war, dass es noch die Berater als weiteren wichtigen Spieler gibt. Erst wenn man das versteht, kann man korrekt vorhersagen, welche Wirkung der Eintritt eines neuen Spielers in den Markt hat. Die Presse war anfangs voll des Lobes über ausländische Fondsgesellschaften und pries den zusätzlichen Wettbewerb, der den alteingesessenen Platzhirschen Beine machen sollte. Dass die Kunden letztlich die Leidtragenden sein würden, das hat keiner vorhergesehen.

Man hätte es aber vorhersehen können, wenn man vorher eine genauere spieltheoretische Analyse vorgenommen hätte. Wie man das auch in praktischen Fällen wie dem der Investmentfonds macht, das beschreiben meine amerikanischen Kollegen Adam Brandenburger und Barry Nalebuff in ihrem Buch Coopetition. Ich finde dieses Buch so lesenswert, dass ich es für den deutschen Sprachraum neu bearbeitet und ganz aktuell neu herausgegeben habe. Das Spannende an dem Buch ist, dass es einen wirklich systematischen Rahmen schafft, mit dem man die Spieltheorie endlich einmal auch in realen Fällen anwenden kann. (Zum Prinzip der Coopetition hier klicken.)

Interessanterweise sind auch die nächsten Schritte der Fondsgesellschaften so gewesen, wie man es nach dem Buch Coopetition vorhersagen kann: Es gab einen Wettlauf zu immer höheren Provisionen. Und damit die bezahlt werden konnten zu immer höheren Gebühren. So entstand eine typische Verlierer-Verlierer-Situation: Die Fondsgesellschaften zahlten immer höhere Kickbacks, die Kunden zahlten immer höhere Gebühren. Keine der beiden Gruppen hatte etwas davon, denn die Kunden bezahlten nur mehr Geld und die Fondsgesellschaften reichten es gleich weiter an die Vermittler (die die lachenden  Dritten waren).

Die Fondgesellschaften brauchten eine Abwehrstrategie. Und sie fanden eine, die ebenfalls schon im Buch Coopetition steht: Sie erzeugten einen Nebel, damit sie die Geister, die sie riefen, wenigstens einigermaßen im Zaum halten konnten. Sie vergaben performanceabhängige Provisionen. Wenn der Fonds eine hohe Überrendite erwirtschaftete, dann zahlten sie viel an die Vermittler, ansonsten wenig. Das besänftigte einerseits die Kunden, die langsam anfingen zu merken, dass hier etwas Schlimmes geschehen war, zum anderen verschleierte es ein wenig die maximale Höhe der Kickback-Zahlungen. Das hilft ihnen zumindest etwas, sich nicht andauernd gegenseitig übertreffen zu müssen. Besser als nichts. Noch besser wäre gewesen, wenn sie gleich das Buch über „kooperatives Konkurrieren“ gelesen hätten. Vor allem für die Kunden wäre es besser gewesen.

Falls Sie es lesen wollen: Coopetition (lieferbar ab 1. November 2007 für 25 Euro).

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