Version vom 03.09.2006
erste Version vom Mai 2006

Sind Saturn und Media-Markt teuer?

Elektronikmärkte stehen in erbitterten Preiskampf. Sie garantieren uns sogar, dass sie uns den günstigsten Preis machen, den wir in einem anderen Geschäft finden. Der flüchtige Betrachter ist geneigt, diese Garantie als Ausdruck heftigen Wettbewerbs zu sehen; der Spieltheoretiker wittert dahinter allerdings eine ausgetüftelte Strategie der geheimen Kommunikation. Ich sage Ihnen hier, welche.

Am Anfang war das Monopol

Dafür stellen wir uns zunächst einmal zwei etwas vereinfachte Elektronik-Märkte vor und nennen sie Saturn und Mars. [1]   Zuerst öffnet nur Saturn seine Pforten. Da er in diesem Moment Monopolist ist, braucht er sich nur um die Kunden zu sorgen, nicht um die Konkurrenz. Viele Menschen glauben, in dieser Situation könne er jeden beliebigen Preis verlangen, „weil die Kunden ja dort kaufen müssen“, aber das stimmt nicht ganz, zumindest sofern er auch etwas verdienen will. Denn wenn ein Monopolist den Preis zu hoch setzt, dann verdient er zwar an jedem einzelnen Stück viel, aber insgesamt nur wenig, weil viele potenzielle Käufer einfach wegbleiben. Der für den Anbieter optimale Preis liegt daher irgendwo in der Mitte – wo genau, das hängt davon ab, wie stark die Bereitschaft der Käufer ist, auf andere Produkte umzusteigen oder sogar einfach ganz wegzubleiben.

Aus spieltheoretischer Sicht stellt sich diese Situation so dar: Die vielen Nachfrager sind alle ganz winzig und haben einzeln keinen Einfluss auf das Spielergebnis. Der einzige Spieler ist daher der Monopolist, der hier gegen eine „dumme“ Masse spielt, die nicht strategisch handelt (weil die vielen kleinen Nachfrager keine Chance haben, sich zu koordinieren und einzeln keinen Einfluss auf das Ergebnis haben). Die Lösung in diesem Einpersonenspiel besteht darin, dass der Monopolist einen mittleren Preis setzt, mit dem er seinen Gewinn maximiert und bei dem die Kunden weniger kaufen als sie kaufen würden, wenn es eine Konkurrenz unter vielen Anbietern gäbe. (Allerdings gilt das nur unter bestimmten Bedingungen; manchmal kann ein Monopolist sogar billiger sein als die Anbieter in der Konkurrenzsituation.)

Die Stunde der Wahrheit: der Preiswettbewerb

Einen Monat später öffnet nun der Konkurrent Mars seine Pforten auf der gegenüberliegenden Straßenseite verkauft genau die gleichen Elektronik-Geräte zu exakt demselben Preis wie Saturn.

Was machen die Kunden? Weil es ihnen ziemlich egal ist, wie der Verkäufer ihrer Digitalkamera und externen Festplatte heißt, gehen sie zufällig mal zu dem einen, mal zu dem anderen. Als Resultat verkauft Saturn nur noch die Hälfte wie vorher, denn die andere Hälfte der Kunden geht ja jetzt zu Mars.

Nach der ersten Verärgerung über diese Entwicklung setzen sich die Marketingstrategen zusammen und kommen nach einer durchgearbeiteten Klausurtagung am Wochenende auf die grandiose Idee, ein Schild aufzuhängen, auf dem steht „Geiz ist geil – bei uns alles einen Euro billiger!“ Die Wirkung auf die Kunden ist durchschlagend: Weil es ihnen ja nach wie vor egal ist, ob Mars oder Saturn auf dem Kassenzettel steht, kommen jetzt wieder alle zu Saturn, denn Euro ist schließlich Euro und Geiz ist eben geil. Dort knallen die Sektkorken, weil jetzt wieder alle Kunden da sind und hierfür der Preis nur ziemlich wenig gesenkt werden musste, sodass der Gewinn wieder fast so hoch wie vorher ist.

Wenn wir es mit einer Situation ohne Gegenspieler zu tun hätten, dann wäre die Analyse hier schon beendet. Aber die Lehre der Spieltheorie besteht ja darin, eine Situation nicht nur aus einer Richtung zu betrachten, sondern sich auch in die Lage der anderen Beteiligten hineinzuversetzen. Und was geht nun auf der anderen Straßenseite vor? Bei Mars ist man ziemlich sauer. „Ich bin doch nicht blöd!“ ruft der Marketingchef aus, und damit steht die Gegenstrategie auch schon fest: Den Spruch finden alle Mitarbeiter (besonders seine Untergebenen) so überzeugend, dass sie gleich beginnen, ein Schild damit zu malen und noch den Zusatz anbringen: „Alles zwei Euro billiger!“

Und schon sind alle Kunden bei Mars, die jetzt wieder fast den Monopolgewinn machen, während bei Saturn alles leer ist. Daher schreibt man dort schnell „Alles 3 Euro billiger“ auf das Geiz-ist-geil-Schild, nur um am nächsten Tag auf der anderen Straßenseite „4 Euro billiger“ zu lesen. Und so weiter. Das Ganze endet erst dann, wenn beide ihren Einstandspreis erreicht haben. Nicht nur, dass dadurch der gesamte Gewinn weg ist, noch nicht einmal die Fixkosten werden mehr gedeckt: Beide Märkte verkaufen schließlich ihre Geräte zu exakt demselben Preis, zu dem sie sie eingekauft haben, denn nur dort haben sie keinen Anreiz mehr, sich noch weiter zu unterbieten.

So seltsam das klingt, aber das ist das spieltheoretische Ergebnis, sprich das Nash-Gleichgewicht, wenn zwei Konkurrenten in einem Preiswettbewerb sind, der oft Bertrand-Wettbewerb genannt wird. Jedes andere Verhalten ist nicht im Gleichgewicht, weil mindestens einer der beiden Märkte einen Anreiz hat, davon abzuweichen – sprich: alle anderen Zustände zerstören sich aus sich selbst heraus.

Die Abwehrstrategie

Jetzt werden mehrere längere Klausurtagungen auf beiden Straßenseiten fällig. Was kann man tun, um aus der Situation herauszukommen?

Die erste Idee ist ebenso naheliegend wie illegal. Man könnte einfach einmal höflich auf der anderen Straßenseite vorbeischauen und den Vorschlag machen, die Preise gemeinsam wieder anzuheben. Dann haben zwar beide nur die Hälfte des Marktes, machen aber wenigstens wieder Gewinn. Das klingt gut, führt aber zu größerem Ärger [2], weil das ein illegales Kartell wäre. Daher wird diese Idee wieder verworfen.

Die Kunst besteht also darin, eine Mitteilung zu finden, die den Konkurrenten erreicht und ihn überzeugt, die Preise nicht zu senken, ohne diese Mitteilung tatsächlich auszusprechen. Zunächst sind die Strategen noch etwas erregt und tüfteln daher an einer Drohung des Typs: „Wer einen billigeren Preis macht als wir, dessen Geschäft sprengen wir in die Luft!“ Das hätte zwar vordergründig die gewünschte Wirkung, könnte aber unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben (denn als Spieltheoretiker fällt uns bald ein, dass die anderen auch gerade ein wenig erregt zusammensitzen und sich eventuell ebenfalls genötigt sehen, Bomben zu entwickeln). Aber zum Glück wird es nicht dazu kommen, denn um derartige Eskalationen zu vermeiden, ist diese Vorgehensweise ebenfalls illegal.

Daher sucht man eine etwas schwächere Variante und schreibt „Wer uns unterbietet, dem nehmen wir alle Kunden weg!“ wohl wissend, dass der andere schon versteht, wie das geht: durch abermaliges Unterbieten. Eine genauere Betrachtung bringt aber zwei Nachteile dieser Formulierung ans Tageslicht. Erstens richtet sich dieses Schild an den Konkurrenten, und daher könnten übereifrige Wettbewerbshüter eine unerlaubte Absprache wittern, auch wenn das nicht ganz sicher ist. Zweitens ist die Reaktion des Konkurrenten ziemlich klar: Er wird das gleiche Schild aufhängen, und die beiden würden wieder in dem Unterbietungs-Wettlauf enden, den sie ja gerade vermeiden wollten. Daher muss man eine Formulierung finden, die diesen Wettlauf verhindert, selbst dann, wenn sie von der anderen Seite auch aufgegriffen wird (schließlich denken wir in Gleichgewichten). Die beiden suchen sozusagen ein Droh-Gleichgewicht auf hohem Preisniveau (noch genauer: sie suchen eine Drohung, die zu einem Nash-Gleichgewicht mit hohen Preisen führt).

Es dauert ein wenig, bis Mars die durchschlagende Idee hat. Dann schreiben sie auf ihr Schild: „Liebe Kunden: Wenn Sie einen unserer Artikel irgendwo anders billiger bekommen als bei uns, dann  machen wir Ihnen den gleichen Preis.“

Diese Formulierung schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens werden jetzt die Kunden angesprochen, nicht mehr der Konkurrent. Die Wettbewerbshüter haben also nichts zu meckern. Besser noch: Mars verspricht ja den Kunden niedrigste Preise, und das kann ja wohl nicht gegen irgendwelche Wettbewerbsregeln verstoßen, denn der Grund für den Wettbewerb sind doch niedrige Preise, nicht wahr? Zweitens stört es Mars überhaupt nicht, wenn die anderen das gleiche Schild aufhängen; im Gegenteil, es freut sie sogar, wie wir gleich sehen werden, wenn wir uns die Wirkung des Schildes angesehen haben: Denn diese ist die gleiche wie bei den alten Formulierungen, die sich noch an den Konkurrenten gerichtet hatten. Der Andere weiß jetzt, dass ihm eine Preissenkung nichts bringt, weil alle Kunden auf der anderen Straßenseite sofort den gleichen Preis bekommen. Statt des erhofften Mehrverkaufs führt jetzt eine Preissenkung ausschließlich zu einer geringeren Gewinnspanne (eigentlich Deckungsbeitrag) pro verkaufter Einheit und damit zu weniger Gewinn statt mehr. Und das war genau das, was die Strategen wollten. Denn nun gibt es keinen Anreiz für den Konkurrenten mehr, seine Preise zu senken.

Jetzt braucht Mars nur noch eines: Sie müssen sich selbst vor der Versuchung schützen, die Preise zu senken. Das nimmt ihnen aber glücklicherweise der Konkurrent ab. Denn wenn Saturn das gleiche Schild aufhängt, dann nimmt er Mars den Anreiz, die Preise zu senken. Daher wartet Mars sehnsüchtig darauf, dass Saturn nachzieht und das gleiche Schild aufhängt. Und schon gibt es ein Gleichgewicht bei hohen Preisen. Denn nun haben beide einen Anreiz, die Preise so lange wieder zu erhöhen, bis sie den ehemaligen Monopolpreis erreicht haben.

Und siehe da: Die scheinbar aggressive Preispolitik ist eine Geheimsprache der Konkurrenten, um ganz legal eine Absprache zu treffen, die auf andere Weise verboten wäre.

 

Für Skeptiker

Das ist doch wieder mal alles viel zu einfach!

Klar habe ich vereinfacht. Aber sehen wir uns an, wie wichtig diese Vereinfachungen für das Ergebnis sind.

Da ist zunächst einmal die Sache mit dem abwechselnden Aufhängen der Schilder über die gesenkten Preise. Dies ist ganz klar ein kurzsichtiges (myopisches) Verhalten: Beide tun bei jeder ihrer Handlungen so, als würden die anderen nicht mehr reagieren, nur um dann erstaunt festzustellen, dass sie es doch tun. Und selbst daraus lernen sie nicht. Man nennt dies die „dynamische Interpretation“ der Lösung des Spiels; dynamisch klingt zwar irgendwie positiv, bezeichnet hier aber die etwas dümmliche Verhaltensweise, bei der die Spieler aus ihren vergangenen Fehlern nicht lernen. Dynamisch heißt in diesem Zusammenhang nichts anderes, als „im Zeitablauf“. Strenggenommen tun wir bei der dynamischen Interpretation so, als gäbe es in nicht nur ein (Einmal-) Spiel, sondern als würde dieses Spiel immer wieder hintereinander gespielt (zum Beispiel pro Tag einmal).

Dadurch ergeben sich aber bei strategischen Spielern ganz neue strategische Möglichkeiten, die weit über das kurzsichtige Verhalten hinausgehen. Denn anstatt bei jeder Preissenkung des Konkurrenten aus allen Wolken zu fallen, kann man ein Verhalten an den Tag legen, das auf das vergangene Verhalten Bezug nimmt. Also zum Beispiel den Preis immer auf genau denselben Wert festsetzen wie der andere aus der Vorperiode – ob das im Gleichgewicht ist, ist noch eine andere Frage, aber die strategische Möglichkeit besteht jedenfalls zunächst einmal. Und da das so ist, stimmt die Analyse von oben gar nicht mehr mit der beschriebenen Situation überein, denn oben bestehen die Strategien ja einfach nur aus dem Festsetzen eines Preises.

Nicht spielen, sondern zuerst denken

Um dieses Problem zu vermeiden, geht die heute übliche spieltheoretische Analyse davon aus, dass die Spieler einen solchen Prozess gar nicht wirklich durchlaufen, sondern ihn nur gedanklich vorwegnehmen und dann sofort wissen, worauf es hinausläuft, also was das Gleichgewicht ist. Weil hier der Zeitablauf einfach auf einen winzigen Moment zusammengedampft wird, nennt man dies die statische Interpretation. Letztlich ist dies ein Kunstgriff, um bei einem Einmalspiel bleiben zu können und nicht ein wiederholtes Spiel untersuchen zu müssen (das viel komplizierter wäre).

Bevor wir uns ansehen, wie wichtig dieser Kunstgriff in diesem Fall ist, müssen wir aber noch einen Blick auf die weiteren Konsequenzen werfen. Denn wenn nun die Spieler schon bei der ersten Analyse der Situation erkennen, dass sie sich in einem Bertrand-Wettbewerb befinden und am Ende im besten Fall mit einem Nullgewinn dastehen werden, dann gibt es ein neues Problem: Saturn war schließlich zuerst allein da und Mars kam erst nach einiger Zeit hinzu. Wenn die Mars-Manager also tatsächlich so rational sind, dann müssten sie sofort erkennen was passiert und dürften nur einen Schluss ziehen: dem Markt fernzubleiben. Denn obwohl er für einen einzelnen Anbieter einen komfortablen Gewinn ermöglicht, führt er bei nur zwei Anbietern zu einer Situation ohne Gewinn und vielleicht sogar mit Verlust, weil die Fixkosten nicht gedeckt werden. Wenn wir also auf die statische Analyse übergehen, dann muss auch wirklich alles statisch werden und beide Anbieter müssen schon von Anfang an einfach da sein, denn ein zweiter würde sich nicht mehr trauen, dazuzustoßen. Das wäre dann ein schönes Beispiel für einen First-Mover-Advantage.

Das wiederholte Spiel

Was passiert nun, wenn man sich statt der Abkürzung über die statische Analyse auf das wiederholte Spiel einlässt? Erstaunlicherweise nicht so viel, wie man erwarten würde. Zumindest dann, wenn die Anzahl der Wiederholungen endlich ist. Denn wenn es irgendeine letzte Runde gibt, dann gelten dort definitiv die Regeln des Einmalspiels, das wir oben analysiert haben: dort gibt es nur das eine Gleichgewicht bei dem alle Waren zum Einstandspreis verkauft werden (innerhalb einer Periode behalte ich die statische Analyse bei). Wenn aber die Lösung für die letzte Runde bekannt ist, dann ist strategisch gesehen die vorletzte Runde die letzte. Allerdings gilt dann für diese Runde das gleiche, was für eine letzte Runde nun einmal gilt, nämlich dass es nur das eine Nash-Gleichgewicht gibt. Wodurch die vorvorletzte Runde zur strategisch letzten wird und so weiter. Somit setzt sich diese Rückwärtsinduktion bis nach ganz vorn fort und alles bleibt beim alten.

Falls Sie das jetzt paradox finden, sind Sie nicht der erste, der das so sieht. Schon Reinhard Selten, auf den diese Argumentation der Rückwärtsinduktion zurückgeht und der dafür immerhin den Nobelpreis bekommen hat, hat eine ähnliche Situation als das Chain-Store-Paradox bezeichnet. Das Paradoxe besteht darin, dass eine völlig vernünftige Argumentation zu einem höchst unvernünftigen Ergebnis führt; denn wieso sollten die beiden Konkurrenten im wiederholten Spiel nicht wenigstens versuchen zu kooperieren, nur weil sie irgendwann in der fernen Zukunft einmal eine letzte Runde spielen werden, in der sie garantiert nicht mehr kooperieren?

Sollten wir nicht viel mehr vermuten, dass sie eine komplexere Strategie verfolgen und ihrem jeweiligen Konkurrenten anbieten, die Preise nicht zu senken in der Hoffnung, dass dieser es auch nicht tun wird? Da sie ja (die Wettbewerbshüter lassen grüßen) nicht miteinander sprechen dürfen, können sie dieses Angebot natürlich nur indirekt machen, indem sie ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Das sollte etwas möglichst leicht Verständliches sein, zum Beispiel immer denselben Preis zu setzen wie der Konkurrent in der Vorrunde (die laufende Runde muss ja unabhängig entschieden werden, daher kennt man den Preis des anderen noch nicht, während man den eigenen festlegt). Im Zusammenhang mit dem berühmten Gefangenendilemma ist diese Strategie als Tit for Tat („wie du mir, so ich dir“) bekannt geworden. Ich schreibe dazu noch einmal an anderer Stelle etwas, weil das ein etwas längeres Thema ist. Aber hier schon einmal so viel:

Wenn der andere diese Strategie versteht, dann sieht er sehr schnell, dass er den höchsten Gewinn macht, indem er einfach den hohen Monopolpreis verlangt und sich mit dem Tit-for-Tat-Spieler den Markt teilt. Es gibt nur ein Problem: Tit for Tat mag zwar auf lange Sicht zu einem hohen Gewinn führen, weil es den anderen dazu bringt, den hohen Preis zu verlangen, aber wer sagt, dass der Tit-for-Tat-Spieler tatsächlich ein Interesse hat, bei dieser Strategie zu bleiben? Indem ein Spieler Tit for Tat spielt, beraubt er sich der Möglichkeit, während des Spielablaufs noch flexibel anders reagieren zu können.

Kann er das? Will er das? Hier geraten wir unversehens in eine philosophische Diskussion. Denn bei der Frage, ob er es kann, müssen wir klären, wer eigentlich ein Spieler ist: eine durchgehende Identität oder eine, die sich im Zeitablauf ständig ändert. Wie dieser Unterschied aussieht, können Sie in meinem Beitrag über Rauchen und Kinderwunsch nachlesen; und ob er es will, ist die Frage danach, ob ein Wahlrecht negativ sein kann.

Zumindest die zweite Frage lässt sich hier recht klar beantworten: In der Tat wollen sich hier die beiden Spieler auf eine Strategie wie Tit for Tat festlegen, denn damit können sie ja die für sie schädliche Wirkung des Betrand-Wettbewerbs vermeiden.

Ob sie es auch können, ist eine Frage der Selbstbindungskraft. Ohne weiteren Trick können sie es zunächst einmal nicht, weil ja die Rückwärtsinduktion greift.  Weil sie sich für die letzte Runde nicht festlegen wollen (bzw. können), können sie es auch für keine vorangegangene. Um die Beschränkung auf Tit for Tat zu ermöglichen, müssten sie sich einen Mechanismus schaffen, der sie bindet. Wenn es möglich wäre, dann würden sie zum Beispiel einen Vertrag mit einem Dritten abschließen, in dem sie sich verpflichten, eine Strafe zu zahlen, wenn sie von Tit for Tat abweichen. Konkret auf die Situation von Saturn und Mars angewandt hieße das, eine Strafe zu zahlen, falls sie versuchen, den anderen zu unterbieten.

Zum Beispiel könnten sie einen derartige Vertrag mit den Kunden schließen und genau das tun sie mit der Niedrigstpreisgarantie. Sie hat exakt die Wirkung des Vertrags von eben. Wann immer einer einen geringeren Preis setzt als der andere, dann zahlt er dafür eine Strafe in Form eines geringeren Preises bei gleichem Marktanteil (weil der andere ja zeitgleich nachzieht). Die Niedrigstpreisgarantie ist also nichts anderes als ein Mittel zur Selbstbindung im wiederholten Spiel.

Und was kommt jetzt raus?

Die Niedrigstpreisgarantie ist im wiederholten Spiel ein Mittel zur Selbstbindung der beiden Spieler, die mit den Wettbewerbsregeln vereinbar ist. Im Einmalspiel  ist sie eine Form der Kommunikation zwischen den Konkurrenten, die ebenfalls legal ist.

Die Wirkung ist nach beiden Formen der Analyse gleich: die beiden Konkurrenten bilden ein Preis-Kartell. 

Übrigens ist dieser Effekt nicht nur rein theoretisch, sondern kann auch in der Praxis beobachtet werden, wenn sich denn einemal die Gelegenheit dazu bietet. Dies ist der Fall mit der Shell-Rabattgarantie, die allen Inhalbern der Shell-Karte verspricht, nicht mehr als 2 Cent mehr als bei der Konkurrenz zu zahlen. Die Situation ist nicht exakt gleich wie im Beitrg oben beschrieben, aber ähnlich.

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Gefallen Ihnen meine Analysen? Falls ja, dann möchten Sie mich vielleicht unterstützen, indem Sie mein Spieltheorie-Buch kaufen.

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[1] Mein Beitrag bezieht sich nicht wirklich auf die beiden Märkte Saturn und Media-Markt, sondern auf eine vereinfachte Situation, um besser auf den Kern kommen zu können. Bei Saturn und Media wird der Fall dadurch erschwert, dass beide zum selben Konzern gehören, nämlich zur Metro-Gruppe.

Außerdem sind die beiden Märkte zwar nicht so super-billig wie ihre Werbung gern behauptet, aber so schlecht sieht es auch wieder nicht aus, zumindest laut einer Studie von Thomas Roeb, einem Professor an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Anfang 2005 die Preise bei mehreren großen Elektronikmärkten untersucht hat. Er kam zum Ergebnis, dass Saturn und Media-Markt ca. 3% unter dem Branchenschnitt liegen. Das klingt zwar nicht so viel wie die Werbung nahelegt, ist aber für eine Branche wie diese gar nicht so schlecht. Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sind die beiden oft teurer als andere Anbieter, aber es fließt dort nicht mit ein, dass die Auswahl bei Saturn viel größer ist als zum Beispiel bei Karstadt und dass man bei Saturn viele der Geräte vor Ort ausprobieren kann, was einem andere Händler nicht erlauben. Anders formuliert: Die angebotenen Produkte sind nicht „homogen“, sondern unterscheiden sich zwischen den Märkten, weil ein Produkt mit der Möglichkeit zum Ausprobieren etwas anderes ist als eines ohne diese Möglichkeit.

Und zudem sind die Niedrigstpreisgarantien zwar formal vorhanden und würden wohl auch eingehalten, aber natürlich sind die Transaktionskosten für den Käufer verhältnismäßig hoch, die Garantie tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

[2] In Amerika führt es sogar zu Freiheitsstrafen.

 

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