Version vom 20.09.2006

Nash-Gleichgewicht

Das Nash-Gleichgewicht ist das wichtigste Lösungskonzept der Spieltheorie überhaupt. Links finden Sie eine kurze Erklärung für den kurzen Überblick über das Nash-Gleichgewicht, rechts finden Sie dann das Nash-Gleichgewicht ausführlicher dargestellt.

Nashgleichgewicht ausführlicher

Sie wollen die lange Darstellung zum Nash-Gleichgewicht? Dann lesen Sie diese Spalte.

Wenn die Spieler irgendwelche Vereinbarungen treffen, ohne dass die Regeln des Spiels die Einhaltung garantieren, dann stellt sich automatisch die Frage, ob es nicht vielleicht immer einen Spieler gibt, für den es sich lohnt, die Vereinbarung zu brechen, um seine eigene Auszahlung zu erhöhen?

Behalten wir diese Idee im Hinterkopf und sehen uns eine dem Eingangsbeispiel sehr ähnliche Situation an (es handelt sich hierbei um eine vereinfachte Version des sogenannten Cournot-Spiels (Cournot 1838 hat das Spiel zwar auf andere Weise dargestellt, aber die Grundidee ist dieselbe) ):

Engagement auf dem Markt: Der Andere:
a (gering) b (mittel) c (stark)
1 (gering) (18,18) (15,19) (10,21)
Wir: 2 (mittel) (19,15) (16,16) (11,15)
3 (stark) (21,10) (15,11) (9,9)

Entscheidungssituation mit einem vernunftbegabten Gegenspieler.

Die Situation ist im Prinzip die gleiche wie in Abbildung  1 , lediglich wird jetzt die ursprünglich anonyme Marktlage durch das Verhalten genau eines Konkurrenten bestimmt, dessen Auszahlungen mit in die Tabelle aufgenommen sind (an zweiter Stelle); es gibt jetzt also außer uns noch einen weiteren Produzenten auf dem Markt. Nehmen wir für den Augenblick an, wir würden unsere Firma nach dieser Periode schließen, damit wir mögliche Reaktionen des Gegenspielers auf unser Verhalten unberücksichtigt lassen können (würde das Spiel über mehrere Perioden gehen, dann wäre diese Matrix keine adäquate Darstellung der Situation).

Nehmen wir hierzu an, wir setzen uns vor dem Spiel mit „dem Anderen“ zusammen und beschließen, uns beide nur gering zu engagieren, weil dies den gemeinsamen Gewinn maximiert (das heißt wir bilden ein Kartell ). Kann dies eine Lösung sein? Gesetzt den Fall, wir wissen genau, dass der andere ein recht naiver Mensch ist und sich mit Sicherheit an die Abmachung hält, was werden wir dann tun? (Machen Sie sich bitte klar: Die Frage ist, wie wir unseren Gewinn maximieren; wie es dem anderen geht, interessiert uns nicht. Falls Ihnen diese Annahme zu egoistisch erscheint, gedulden Sie sich noch bis Seite  37.)

Da wir sicher sind, dass sich der andere an die Vereinbarung hält, ist nur die erste Spalte der Tabelle für uns relevant. Wir können also wählen, ob wir lieber einen Gewinn von 18, 19 oder 21 machen möchten; natürlich nehmen wir am liebsten den Gewinn von 21 und folglich werden wir – anstatt uns an die Abmachung zu halten – Strategie 3 wählen. Strategie 3 ist also beste Antwort auf Strategie a. Ebenso ist unsere Strategie 2 eine beste Antwort auf seine Strategie c, denn wenn aus irgendwelchen Gründen sicher ist, dass der andere Strategie c wählt, dann werden wir Strategie 2 wählen, um unseren Gewinn zu maximieren (dass der andere in dieser Situation mehr bekommt als wir, interessiert uns nicht, da wir auch diesmal nur an unserem eigenen Gewinn interessiert sind und an sonst nichts).

Wenn man nun davon ausgeht, dass sowohl wir als auch der andere einigermaßen clever ist, dann zerstört sich eine Abmachung wie die Strategienkombination (1,a) von selbst, weil beide einen Grund haben abzuweichen, wenn sie annehmen, dass sich der jeweils andere daran hält. Das Kartell war also offenbar keine Lösung des Spiels. Wie man leicht nachprüfen kann, gilt das Gleiche für die meisten anderen Strategienkombinationen. – Gibt es aber auch Kombinationen, die sich nicht selbst zerstören? Voraussetzung dafür ist, dass die zu wählenden Strategien wechselseitig beste Antworten aufeinander sind. In dem Beispiel gibt es tatsächlich eine solche Kombination, nämlich (2,b), beide engagieren sich mittel. Man nennt eine derartige Strategienkombination strategisches Gleichgewicht oder auch nach seinem Erfinder Nash-Gleichgewicht (seltener gibt es auch die Bezeichnung Cournot-Nash-Gleichgewicht ). Das strategische Gleichgewicht hat die Eigenschaft, dass sich kein Spieler verbessern kann, indem er als Einziger von der Gleichgewichtskombination abweicht.

Im  Nash-Gleichgewicht hat keiner der Spieler einen Anreiz, als Einziger von der Gleichgewichtskombination abzuweichen; die Spieler spielen wechselweise beste Erwiderungen. Das Nash-Gleichgewicht wird oft auch strategisches Gleichgewicht genannt.

Diese Definition geht zurück auf John Nash  1951, ein Vorläufer war Augustin Cournot  1838. – Der Name Nash-Gleichgewicht ist derzeit der weitaus gebräuchlichere Name als strategisches Gleichgewicht. Aber letzterer ist gerade dabei, sich im Englischen durchzusetzen und es ist daher wahrscheinlich, dass dies auch im Deutschen passieren wird. Ohnehin wird in der Spieltheorie oft nur vom Gleichgewicht oder Gleichgewichtspunkt gesprochen und damit implizit das Nash-Gleichgewicht gemeint. Ich verwende die Begriffe Gleichgewicht, Nash-Gleichgewicht und strategisches Gleichgewicht meistens synonym.

Bei John Nash handelt es sich übrigens um den an Schizophrenie erkrankten Mathematiker aus dem Film „A Beautiful Mind“, der trotz seiner Krankheit im Jahr 1994 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, und zwar insbesondere für die Definition des eben vorgestellten Nach-Gleichgewichts. Der Nobelpreis wurde ihm gemeinsam mit Harsanyi und Seltenverliehen, auf deren Beiträge wir noch an späterer Stelle ausführlich zu sprechen kommen werden.

Um Verwechslungen zu vermeiden: Es gibt ebenfalls von John Nash die Nash-Verhandlungslösung (Nash  1950), die sehr bekannt geworden ist, die aber vordergründig nichts mit dem Nash-Gleichgewicht zu tun hat: Die Verhandlungslösung entstammt der sogenannten kooperativen Spieltheorie, die in diesem Buch nicht behandelt wird.

Noch eine weitere Anmerkung ist wichtig: Das Nash-Gleichgewicht ist für eine beliebige Spielerzahl definiert. Sie erinnern sich: Obwohl wir bisher nur Zweipersonenspiele betrachtet haben, beschäftigt sich die Spieltheorie generell mit n-Personen-Spielen.

Es gibt viele wesentliche Argumente, die Gleichgewichts­kombinationen gegenüber anderen Strategienkombinationen auszeichnen, von denen ich Ihnen hier nur drei nenne:

Wenn die Spieler sich vor dem Spiel auf eine Strategienkombination einigen, dann hat eine solche Einigung nur dann auch wirklich Aussicht darauf, gespielt zu werden, wenn es sich um ein strategisches Gleichgewicht handelt.

Wenn man versucht zu definieren, welches Verhalten rational ist, dann kommen als Kandidaten für Rationalverhalten nur Gleichgewichtsverhaltensweisen in Frage. Denn würde die Rationalität ein ungleichgewichtiges Verhalten empfehlen, dann würde sie sich aus sich selbst heraus zerstören. Allein die Vermutung, die anderen Spieler könnten sich an einen derartigen Rationalitätsbegriff halten, müsste einen rationalen Spieler dazu veranlassen, davon abzuweichen.

In vielen Situationen liegen „blinde“ Prozesse vor, in denen die Spieler keine Einsicht in die eigentliche Spielsituation haben, sondern nach einem Versuch-und-Irrtum-Prinzip handeln. Sofern solche Abläufe überhaupt jemals gegen ein stabiles Verhalten (also eines, das auf Dauer von allen beibehalten wird) konvergieren, muss es sich bei einem potentiellen stabilen Verhalten um ein Nash-Gleichgewicht handeln.

Das Nash-Gleichgewicht, dessen Grundidee wir hier schnell angerissen haben, ist der Kernpunkt der Spieltheorie schlechthin; wenn man es genau nimmt, dreht sich fast alles um diese eine Idee. Wir werden noch an den verschiedensten Stellen auf dieses Gleichgewicht zurückkommen, soviel aber schon vorweg: Es ist eine der genialsten Entdeckungen in den Sozialwissenschaften überhaupt. Sie gehört sogar zu den ganz wenigen Ideen, die es geschafft haben, in die Naturwissenschaften exportiert zu werden.

Bedauerlicherweise reicht das Gleichgewichtskonzept nicht aus, um für jedes Spiel zu einer eindeutigen Lösung zu gelangen, weil Spiele sehr oft mehrere Gleichgewichte haben. Ein Großteil der neueren spieltheoretischen Grundlagenforschung beschäftigt sich deshalb damit, Kriterien für mehr oder weniger sinnvolle Gleichgewichte zu entwickeln, um möglichst viele als Lösungskandidaten auszuschließen.

Zum Begriff des Gleichgewichts

Eine Anmerkung zu der Bezeichnung Gleichgewicht, ob mit oder ohne Nash: Ursprünglich ist dieser Begriff aus der klassischen Mechanik übernommen, inzwischen gibt es aber in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen Gleichgewichtsbegriffe, die im Wesentlichen ein Kriterium gemeinsam haben: Befindet sich ein System im Gleichgewicht, so entwickelt es keine Kräfte aus sich selbst heraus, um den Systemzustand zu ändern. Daher wird ein System einen Gleichgewichtszustand beibehalten, solange keine ändernden Kräfte von außen auftreten, das heißt, solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Dieses Kriterium trifft auch genau auf das Nash-Gleichgewicht zu.

Auf jeden Fall muss man aufpassen, dass man das Nash-Gleichgewicht nicht mit anderen Definitionen von Gleichgewichten verwechselt, wie etwa dem Marktgleichgewicht (Gleichheit von Angebot und Nachfrage), einem makroökonomischen Gleichgewicht (zum Beispiel im Sinne des IS-LM-Schemas) oder dem thermodynamischen Gleichgewicht. Verwechslungen können insbesondere dadurch leicht auftreten, dass in der spieltheoretischen Literatur oft nur vom Gleichgewicht gesprochen wird, wenn eigentlich das Nash-Gleichgewicht gemeint ist.

Dieser Sachverhalt wird besonders dadurch interessant, dass die anderen Gleichgewichte manchmal gleichzeitig ein strategisches Gleichgewicht sein können, aber nicht sein müssen, und manchmal das strategische Gleichgewicht ein Ungleichgewicht (in irgendeinem anderen Gleichgewichts-Zusammenhang) sein kann.

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